Zukunftsmusik I
für 14 Streicher (4-4-3-2-1) (2025)
- für das Mendelssohn-Kammerorchester Leipzig –
UA im Rahmen des Projektes
Chemins – In Memoriam Luciano Berio
Konzert mit dem Mendelssohn-Kammerorchester Leipzig
Kompositionen von Luciano Berio, Christian Diemer, Knut Müller, Steffen Reinhold, Thomas Leppuhr, Friedemann Stolte und Christian FP Kram
So, d. 23. November 2025, 17 Uhr
Dresden, KulturKirche Weinberg Trachenberge, Albert-Hensel-Str. 3
Mo, d. 24. November 2025, 19 Uhr
Leipzig, Stadtbibliothek, Wilhelm-Leuschner-Platz 10/11
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Ein echtes Myzelium ist ein erstaunlicher Organismus. Es steht der Komposition Pate wegen der unglaublich komplexen Verwobenheit vieler Einzelteile und ihres sich ständig verändernden Austausches untereinander. Der Pilz, der Fruchtkörper eines Myzels, ist ohne die Fähigkeit zu Photosynthese abhängig von den Nährstoffen des wurzelähnlichen, chaotisch erscheinenden und filigranen Geflechts aus Hyphen, die ihrerseits mit ihrer Umgebung verwoben sind (Bäume, Erde, Kompost usw.). Der Fruchtkörper liefert dem Myzelium seinerseits Informationen aus Licht, Chemikalien, Berührung und Klang, die er in elektrische Signale umwandelt.
Das Myzelium leitet diese Signale weiter und verbindet dadurch viele Pflanzen miteinander. Myzelien haben keine stabilen Töne wie Pflanzen oder wie z.B. ein vom Myzelium isolierter Fruchtkörper, wenn man die elektrischen Ströme hörbar macht. Die Muster dieser elektrischen Signale zeigen eine große Vielfalt und Dynamik und verschieben sich unentwegt. Das größte bekannte Myzelium mit 9 qkm Größe, ca. 600 Tonnen Masse und einem Alter von etwa 2400 Jahren gilt als größtes Lebewesen der Erde.
Ein solcher Organismus steht in krassem Widerspruch zum Wirtschafts-Konzept des Wachstums, das auf den Nobelpreisträger Robert Solow zurückgeht. Dieses schließt auch die Substituierbarkeit von „Naturkapital“ mit ein: solange wir die einzelnen Elemente durch künstliche ersetzen könnten, sei es keine Katastrophe, und schließlich bräuchten wir die Elemente für das wirtschaftliche Wachstum: uns dämmert, dass das ein Trugschluß ist, weil Einzelteile des sogenannten „Naturkapitals“ und auch wir selbst viel „vernetzter“ in systemischen Zusammenhängen sind, um ungestraft Einzelteile entnehmen zu können.
Daher beginne ich mit diesem Stück eine Reihe über „Zukunftsmusik“: als Metapher für Zusammenhänge, Ideen, Vorgänge oder Strukturen, die von einer möglichen, positiven und nachhaltigen Zukunft erzählen.