ein spiel zur erkundung der mitte
für vierzehn streicher
entstanden für das Programm des Sächsischen Musikbundes und darin uraufgeführt:
Annäherungen
Goethes „West-östlicher Divan“ im Diskurs
Mendelssohn-Kammerorchester Leipzig
Claus Cornelius Straßner (Bariton)
Leitung: Anna Shefelbine
Dauer: ca. 4 – 5 min
Mittwoch, 9. Februar 2022
um 19:30 Uhr
Leipzig, Katholische Kirche Leipzig-Schönefeld,
Ossietzkystr. 60
Sonntag, 21. November 2021
um 19:30 Uhr
Dresden, Kulturkirche Weinbergskirche Trachenberge,
Albert-Hensel-Str. 3
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Weitere Aufführungen ENTFALLEN LEIDER!
ABSAGE AUFGRUND DER CORONA-SITUATION UND -NOTVERORDNUNG:
22. November 2021
Chemnitz, Städtische Musikschule
23. November 2021
Leipzig, Stadtbibliothek
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Natürlich ist das Stück für ein sich live vollziehendes Spiel(en) konzipiert.
Dennoch für einen Eindruck hier der
Mitschnitt der Uraufführung in Dresden –
man stelle sich vor, mitten drin zu sitzen!
(Verwendung von Kopfhörern und nicht zu hohe Lautstärke werden empfohlen)
Programmhefttext
»… drehend wie das sterngewölbe«
ein spiel zur erkundung der mitte
Mich reizt am Spiel die Verknüpfung von Struktur und offener Interaktion der Ausführenden. Außerdem ist Spiel ein vom normalen Leben zeitlich und räumlich abgesonderter Bereich, in dem Wirkliches »so als ob« probiert und erfühlt werden kann.
Diese Bereiche des Spiels hat auch Goethe genutzt, wenn er sich mit Hafis unterhält, wenn er sich und seiner Geliebten allegorische Namen aus muslimischer Welt gibt – Hatem und Suleika.
Dieses Spiel setze ich fort, wenn ich die Instrumenten-Paarungen mit den klangvollen Namen der sieben Liebespaare schmücke, die der West-östliche Divan enthält, so etwa Rustan und Rodawu, Leila und Madschnun oder Dschemil und Boteinah.
Eine weitere Fortsetzung des Spiels erfährt das Stück, indem ich diese Paare nach einer Mitte suchen lasse.
Und schließlich beginnt und endet das Spiel mit meiner ersten Assoziation eines Nachthimmelklangs, fern von Strukturen und Bedeutungen und doch mit ihnen verknüpft.
„Dein Lied ist drehend wie das Sterngewölbe,
Anfang und Ende immerfort dasselbe,
Und, was die Mitte bringt, ist offenbar
Das, was zu Ende bleibt und Anfangs war.“
(Goethe, West-östlicher Divan, Buch Hafis)
Ergänzung: warum diese Auswahl aus dem West-östlichen Divan, warum diese Lösung?
Ich empfand im West-östlichen Divan eine Widersprüchlichkeit zwischen allgemeingültig-schön formulierten Idealisierungen einerseits und von asymmetrischen Beziehungen oder Instrumentalisierung andererseits. Hatem (alias Goethe) und Hafis z. B. oder Hatem und seine Geliebte Suleika (alias Marianne): darin verbirgt der Dichter Dinge, die nicht ganz so edel und gleichberechtigt sind, wie die Dichtung vorgibt, und dieser Widerspruch ist in heutigen Emanzipations-, Macht- oder Desinformations-Debatten sehr präsent und bereitete mir Unbehagen.
Daher habe ich auf Text und Sänger verzichtet und eine Lösung in einer Spielkonstruktion gesucht, die sich im interaktiven Vollziehen und in der Kommunikation der Spieler untereinander entfaltet.
Gleichzeitig war die Textzeile des „Sterngewölbes“ unmittelbar assoziationsauslösend und wurde daher Ausgangspunkt für musikalische Lösungen.
6. März 2022